AUSRICHTUNG AUF BESTIMMTE ANGRIFFSPUNKTE
Zielgerichtete Medikamente haben einen hohen Stellenwert im Fächer der Therapiemöglichkeiten bei Brustkrebs. Ganz besonders im fortgeschrittenen Stadium. Sie setzen punktgenau an bestimmten Merkmalen der Tumorzelle an und können so ihr Wachstum hemmen oder sie ganz zerstören. Fast immer werden sie mit den klassischen Behandlungsansätzen der Antihormontherapie und/oder Chemotherapie kombiniert.
Zielgerichtete Brustkrebstherapie – eine kurze Definition
Fortgeschrittener hormonrezeptorpositiver Brustkrebs

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WIRKWEISE
Im Englischen wird diese Art der Therapie auch als „Targeted Therapy“ bezeichnet. Das bedeutet, dass die betreffenden Medikamente ganz gezielt auf bestimmte Angriffspunkte der Tumorzelle ausgerichtet werden. Manchmal wird auch der Begriff „personalisierte Medizin“ verwendet. Dieser ist jedoch weniger genau und wird eher von den Medien benutzt, wenn über die zielgerichteten Therapien berichtet wird.
Vereinfacht gesagt wirken zielgerichtete Medikamente nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip: Der „Medikamenten-Schlüssel“ passt genau in die Eingangspforte für bestimmte Signale, die Tumorzellen dazu auffordern sich zu teilen und weiter zu wachsen – und verschließt diese.
Die Angriffspunkte hierfür sind entweder Rezeptoren auf der Zelloberfläche, bestimmte Botenstoffe oder Signalwege.

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WIRKSTOFFGRUPPEN
Zielgerichtete Substanzen sind:
- Monoklonale Antikörper, d. h. große Eiweißmoleküle, die bestimmte Rezeptoren an der Zelloberfläche besetzen und so verhindern, dass solche Signale überhaupt erst ins Zellinnere vordringen können. Andere Antikörper sind in der Lage, die Neubildung von Blutgefäßen zu stoppen, die den Tumor mit Nährstoffen versorgen. Sie werden Angiogenesehemmer genannt. Zusammengefasst werden diese Medikamente unter dem Begriff „Antikörpertherapie bei Brustkrebs“.
- Kleine Moleküle („Small Molecules“), die ins Zellinnere eindringen können. Hier binden sie an innere Rezeptoren und blockieren quasi vor Ort die Signalweiterleitung, über die das Zellwachstum gesteuert wird. Die Signale selbst werden von Eiweißen übertragen, die als Kinasen bezeichnet werden. Die hierfür eingesetzten Medikamente heißen dann auch „Kinasehemmer“.
EINSATZ
Eingesetzt wird die zielgerichtete Therapie nur dann, wenn die Gewebemerkmale Ihres Tumors oder Ihrer Metastasen zu den jeweiligen Medikamenten „passen“. Das bedeutet z. B., dass die Zelloberfläche eine erhöhte Anzahl an Rezeptoren für den Botenstoff HER2 aufweisen muss, also „HER2-positiv“ ist. Oder, dass die Tumorzellen hormonrezeptorpositiv sind. Ob dies so ist, wird über eine Gewebeprobe (Biopsie) festgestellt.
NEBENWIRKUNGEN
Obwohl die zielgerichtete Therapie sich nur gegen Tumorzellen richtet und gesunde Zellen verschont, hat sich die Hoffnung auf eine Behandlung ohne Nebenwirkungen nicht erfüllt. Trotzdem ist sie meist ärmer an Nebenwirkungen als eine „ungezielte“ Chemotherapie.
Informationen zu den Nebenwirkungen der einzelnen Medikamente erhalten Sie über Ihre Ärztin bzw. Ihren Arzt oder über die Packungsbeilage.

GUT ZU WISSEN
Die älteste zielgerichtete Therapie ist übrigens die Antihormontherapie Auch sie wirkt gezielt auf die Hormonrezeptoren für Östrogen und/oder Progesteron.
BLOCKADE DES MTOR-SIGNALWEGES = AUFHEBUNG DER RESISTENZ GEGEN ANTIHORMONTHERAPIE
Teilung und Wachstum einer Zelle werden über verschiedene Signalwege gesteuert. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die mTOR-Kinase. mTOR ist ein Enzym, die Abkürzung steht für mechanistic Target of Rapamycin.
Eine Überaktivität des mTOR-Signalweges kann dazu führen, dass eine hormonrezeptorpositive Krebszelle plötzlich nicht mehr auf die Antihormontherapie reagiert. Sie wird resistent. Wird ein mTOR-Hemmer eingesetzt, der diesen Signalweg blockiert, wird diese Resistenz aufgehoben und antihormonelle Medikamente können wieder wirken.
HEMMUNG DER CDK4/6-KINASE = ANTIHORMONTHERAPIE KANN WIEDER WIRKEN
Bei den zyklinabhängigen Kinasen 4 und 6 (CDK4/6) handelt es sich um Enzyme, die für die Steuerung der Zellteilung bedeutsam sind. In hormonrezeptorpositiven Brustkrebszellen ist die Aktivität von CDK häufig außer Kontrolle geraten, was eine unkontrollierte Zellteilung und dadurch das Wachstum der Krebszellen zur Folge hat. Damit einher geht ebenfalls eine Resistenz gegen die Antihormonbehandlung. Wird die CDK4/6-Kinase gehemmt, wird auch diese Resistenz aufgehoben.
Wenn nach oder während einer begleitenden Antihormontherapie der Brustkrebs voranschreitet, kann eine CDK4/6-Hemmung zusammen mit einer Antihormonbehandlung erfolgen. Für die Behandlung stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung, die in Kombination mit einem Aromatasehemmer oder einem Antiöstrogen angewendet werden. Durch dieses Zusammenspiel der Wirkmechanismen kann das Fortschreiten der Krebserkrankung verzögert werden. Es handelt sich um eine orale Therapie, die einmal täglich eingenommen wird.

BEHANDLUNG BEI PIK3CA-MUTATION
Bei etwa 40 % der Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem Brustkrebs wird anhand der Gewebeprobe festgestellt, dass ein bestimmtes Gen in den Tumorzellen verändert ist. Es handelt sich dabei um das PIK3CA-Gen. Dieses Gen enthält den „Bauplan“ des Enzyms PI3Kα, das u. a. beim Zellaufbau und beim Zellwachstum eine wichtige Rolle spielt. Durch diese als „PIK3CA-Mutation“ bezeichnete Genveränderung wird die Funktion des Enzyms PI3K-alpha gestört. Es sendet nun unkontrollierte Wachstumssignale in die Zellen und fördert damit das Tumorwachstum.
Diese Art von Mutation ist zwar mit einer schlechteren Prognose verbunden, bietet aber auch die Möglichkeit, eine zielgerichtete Therapie einzusetzen, die gezielt auf das Enzym PI3K-alpha wirkt. Es hemmt die von diesem Enzym ausgehenden Signale und kann damit das Wachstum der Tumorzellen stoppen bzw. verlangsamen.
Es handelt sich um eine orale Therapie, die einmal täglich eingenommen wird.
HER2-POSITIVER BRUSTKREBS
Bei etwa 25–30 Prozent der Brustkrebspatientinnen finden sich auf der Oberfläche ihrer Tumorzellen zu viele HER2-Rezeptoren. Werden diese durch Botenstoffe aktiviert, tragen sie zur ungehemmten Vermehrung dieser Zellen bei. Um diesen Vorgang zu stoppen, werden spezielle zielgerichtete Medikamente, die sogenannten Antikörper, eingesetzt. Diese blockieren den HER2-Rezeptor und verhindern so die Weiterleitung von wachstums- und teilungsfördernden Signalen in das Innere der Brustkrebszelle hinein. Die Signale zur Zellteilung bleiben aus – das Tumorwachstum stagniert.

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WEITERE ZIELGERICHTETE MEDIKAMENTE
ANGIOGENESEHEMMER
Ab einer gewissen Größe benötigen Tumoren und Metastasen eine eigene Blutversorgung durch neu gebildete Blutgefäße. Dabei bilden die Krebszellen Botenstoffe, die an spezielle Rezeptoren (VEGF-Rezeptoren) auf der Oberfläche von Blutgefäßzellen binden. Diese Bindung veranlasst die Zellen sich zu teilen. Dadurch entstehen neue Blutgefäße, die den Tumor mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. In der Medizin wird hier von „Angiogenese“ gesprochen.
Medikamente, sogenannte VEGF-Hemmer, können diese Rezeptoren blockieren und damit verhindern, dass sich neue Blutgefäße bilden (Angiogenesehemmung). Auf diese Weise erhält der Tumor weniger Sauerstoff und Nährstoffe und „hungert aus“. VEGF-Hemmer können bei fortgeschrittenem Brustkrebs, d. h. bei metastasierter HER2-negativer Brustkrebserkrankung, zusammen mit einer Chemotherapie eingesetzt werden.

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ANTIKÖRPER GEGEN KNOCHENMETASTASEN
Darüber hinaus gibt es auch Antikörper, die direkt in den Knochenstoffwechsel eingreifen. Sie wirken gegen einen als „RANKL“ bezeichneten Signalstoff, ein Eiweiß, das die Osteoklasten zum Abbau von Knochen anregt.
PARP-HEMMER
PARP-1 und PARP-2 sind Enzyme, die für die Reparatur von geschädigter DNA zuständig sind. Werden diese beiden Enzyme blockiert, entstehen in der Tumorzelle so viele nicht reparable Schäden, dass sie abstirbt.

ABLAUF DER BEHANDLUNG
Zielgerichtete Medikamente werden entweder als Infusion in eine Vene, als Spritze unter die Haut oder in Tablettenform gegeben. Ob Sie die jeweilige Therapie zu Hause oder ambulant in einer Praxis oder Klinik durchführen können, hängt vom Medikament selbst ab. Auch die Frage, ob Sie das Medikament beispielsweise in Kombination mit einer Chemotherapie erhalten, spielt eine Rolle.
Der Ablauf der Therapie folgt einem Schema, das die Einnahme der Tablette(n) oder Anwendung der Infusionen bzw. Injektionen festlegt. Im Allgemeinen dauert die Therapie so lange, wie sie Wirkung zeigt. Treten nicht tolerable Nebenwirkungen auf, wird zunächst die Dosis reduziert oder die Behandlung beendet.
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QUELLEN
https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/brustkrebs/therapie/molekularbiologische-therapie.html zuletzt abgerufen am 21.02.2023.
https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/basis-informationen-krebs-allgemeine-informationen/personalisierte-krebsmedizin.html zuletzt abgerufen am 21.02.2023.
https://www.krebsinformationsdienst.de/behandlung/gezielte-krebstherapie.php zuletzt abgerufen am 21.02.2023.
https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/brustkrebs/moderne-verfahren.php zuletzt abgerufen am 21.02.2023.
https://www.krebsinformationsdienst.de/fachkreise/nachrichten/2019/fk10-zulassung-olaparib-lynparza-brustkrebs-brca.php zuletzt abgerufen am 21.02.2023.
Patientinnenleitlinie „Brustkrebs im frühen Stadium“, „Leitlinienprogramm Onkologie“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V., der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. und der Stiftung Deutsche Krebshilfe, 12/2018
Patientinnenleitlinie Metastasierter Brustkrebs, „Leitlinienprogramm Onkologie“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V., der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. und der Stiftung Deutsche Krebshilfe, 12/2018
Patientenratgeber zu den AGO-Empfehlungen, herausgegeben von Wolfgang Janni und Volkmar Müller, im Namen der Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V. (AGO) für Patientinnen, Patienten, Angehörige und Interessierte, Zuckschwerdt Verlag, 2020
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